Ursachen der Dissoziation

 

 

 

Dissoziation kommt vor, wenn eine Person extremen Stress oder extreme Anreize erlebt. Sie wird in der Regel als Abwehrmechanismus verstanden, die in Situationen benötigt wird, in denen unaushaltbares auszuhalten ist. Er kann so dass Überleben sichern, indem nicht bewusstseinfähige Wahrnehmungen (z. B Traumata) eben nicht ins Bewusstsein gelassen - dissoziiert - werden. Unter diesen Bedingungen wird das Leben verschieden erlebt, und die Erinnerung an ein Ereignis wird im Gedächtnis verschieden abgelegt. Das heißt, die Gefühle, Gerüche und Bilder werden nicht als Ganzes abgespeichert, sondern getrennt in verschiedenen Bereichen des Gehirns. Wenn ein Kind schwer missbraucht wird, ereignet sich wiederholt extremer Stress. Viele Ereignisse werden in einem Schockzustand erlebt, in einem dissoziativen Zustand gespeichert und in Bruchstücken erinnert. Wenn ein Kind ausreichend Stress ausgesetzt wird, können sogar Erinnerungen an weniger stressreiche Ereignisse dissoziiert werden.

Gegenstand der Amnesie (Erinnerungslücke) müssen bei einer dissoziativen Störung nicht (bzw. nicht ausschließlich) jene traumatischen Erlebnisse sein, von denen her die Störung ihren Ausgang nahm! Von Amnesie betroffen sein können vielmehr auch aktuelle Situationen im Alltag der Betroffenen, nicht selten Handlungen, welche die Patienten selbst begehen. Zur objektiven Erfassung und zur Gewichtung der Ausprägungsschwere der dissoziativen Störung wurden spezifische, psychologische Testverfahren, wie z.B. der Dissociative Experience Scale entwickelt. Kern der Störung ist die Abspaltung bestimmter Erinnerungs-Vorstellungen vom Bewusstsein, entweder durch Amnesie, oder durch eine Veränderung des Bewusstseins selbst, um damit Erlebnisinhalte zu vermeiden.




 

Gewalterfahrungen als Ursache dissoziativer Störungen:



Im vergangenen Jahrzehnt wurden mehr als fünfzehn, durchweg einwandfrei kontrollierte Studien durchgeführt und in qualifizierten Journalen publiziert, die einen bedrückenden Zusammenhang zwischen - vorwiegend kindlichen - Gewalterfahrungen und dem Entstehen dissoziativer Störungen zeigen. Eine dieser Studien wurde am National Institute of Mental Health (NIMH) durchgeführt (Putnam 1995). Ein bedeutsames Ergebnis ergab sich aus einer differenzierenden Studie über die Folgen von sexuellem Missbrauch im Kindes- versus Erwachsenenalter: Frauen, die "nur" im Erwachsenenalter vergewaltigt worden waren, litten vor allem an Posttraumatischen Stresserkrankungen. Lag sexueller Missbrauch im Kindesalter (mit oder ohne zusätzliche Vergewaltigung im Erwachsenenalter) vor, dann hatte sich regelmäßig eine dissoziative Störung gebildet. Nicht nur sexuelle, auch allgemein-körperliche Gewalterfahrungen spielen für die Entstehung dissoziativer Störungen eine entscheidende Rolle.

Verdrängte Erinnerungen behalten ihre Krankheitserzeugende Kraft:


Oft wird bezweifelt, dass aus dem Bewusstsein verdrängte Erlebnis-Inhalte wirksam bleiben könnten. Dass sie es tatsächlich sind, zeigen folgende interessante Beobachtungen: Abgesehen von dissoziativen Symptomen können sich nach Trauma- Erfahrungen bekanntlich weitere seelische Störungen entwickeln, insbesondere die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS),
emotional - instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline), chronische Suizidalität, Angststörungen und depressive Störungen. Für die Ausbildung dieser zusätzlichen psychiatrischen Störungen stellt die dissoziative Störung jedoch das "Einfallstor" dar, d.h., die Ausbildung einer dissoziativen Störung nach Traumatisierung ist eine Voraussetzung und zugleich ein Prädiktor für die Ausbildung weiterer psychiatrischer Störungen. Dies lässt darauf schließen, dass aufgrund der Dissoziation verdrängtes, vom Bewusstsein abgespaltenes Erleben als psychiatrische Sekundär-Erkrankung, quasi durch die Hintertür, zurückkehrt.